Sonntag, 25. Oktober 2009

Denglisch und Anglizismen

Hallo Leser,

in letzter Zeit stoße ich immer wieder auf erbitterte Diskussionen und reißerische Schriften zum "Niedergang der deutschen Sprache". Ein besonders heftiges Interview mit der Sängerin Edda Moser, veröffentlicht von der FAZ, hat mich angeregt meine Meinung hierzu zu veröffentlichen.

Derzeit hat, wie man unschwer feststellen kann, die Sprache Englisch einen großen Einfluss aufs Deutsche. Die Oberschicht spricht meist fließend Englisch, und Englische Begriffe bürgern sich teils unbemerkt in die deutsche Sprache ein. Diese Entwicklung ist, verglichen mit dem Alter der deutschen Sprache (laut Wikipedia ca. 2100 Jahre) relativ neu, ich schätze, das die ersten englischen Begriffe vor ca. 15-20 Jahren begannen einzufließen.

Viele, oft ältere, Menschen kritisieren dies aufs schärfste, verwenden aber selbst, meist ohne es zu bemerken, sehr sehr oft Begriffe, die selbst nicht ur-deutsch sind, sondern auch eingeschleppt wurden.

Vor dem 10 Jahrhundert hatten die Römer, und damit die lateinische Sprache großen Einfluss. So stammt z.B. das heutige "Fenster" vom lateinischen "fenetre" und u.a. die Medizin hat dazu geführt, das sich noch mehr ursprünglich lateinische Begriffe im deutschen eingenistet haben.

Begriffe aus der Finanzwirtschaft, wie Brutto, Netto, Bank und Risiko stammen aus dem italienischen und wurden zwischen 1350 und 1650, während der Phase des Frühneuhochdeutschen eingeschleppt. Sie kommen uns vollkommen Deutsch vor. Begründet liegt dies darin, das Italien zu dieser Zeit Finanzwirtschaftlich weltweit überlegen war und darum die Einflüsse nach überall, auch nach Deutschland, abgestrahlt wurden. Später dehnte sich dies auf die Musik ab, so haben sehr viele Instrumentennamen und Bezeichnungen für Musikstücke, oder Abschnitte aus Musikstücken italienische Herkunft. Als Beispiel sei zu nennen: Cello, Violine, Allegro, Andante, Bratsche usw usf.

Während und vor der französischen Revolution, waren die französischen Könighäuser für viele Adels-und-Königsfamilien deutscher Herkunft kulturelles Vorbild. Französisch galt als Modesprache und unglaublich viele Begriffe aus dem französischen fanden Einzug ins Deutsche. Als Beispiel sei zu nennen: Ball, Ballett, Promenade, Kompott, Kotelett, Marmelade, Portemonee, Frisur, Garderobe, Kostüm, Armee, Leutnant, Offizier.

Selbst unter Deutschen sprach man in der Oberschicht meist Französisch. Es galt als schick.

Diese Entwicklung ist jetzt auch zu beobachten. Deutsche Top-Manager fordern teilweise, wenn auch (noch) vereinzelt, das Interviews in Englsch gehalten werden, auch wenn der Interview-Partner der deutschen Sprache mächtig ist. Und wer schonmal einen Business-Analysten oder PR-Agent über seine Arbeit hat reden hören, der wird nicht mehr genau differenzieren können, ob er jetzt mehr deutsch, oder mehr Englisch spricht.

Die Vergangenheit zeigt also, das die Vielfalt der deutschen Sprache, das Klangbild der deutschen Sprache immer geprägt war und geprägt ist durch äußere Einflüsse. Manche sind älter, manche Einflüsse entstehen gerade erst. Allerdings lässt sich, außer z.b. bei Wein, vom Alter einer Sache oder Gewohnheit äußerst selten auf den Wert schließen.

Es ist also ein Zeichen von großer Konservativität (und ich verwende dieses Wort hier in einem äußerst negativen Kontext), wenn man die Anglifizierung der deutschen Sprache kritisiert, aber gleichzeitig seinen Gesprächspartner bittet das Fenster zu öffnen und ein paar Stunden später sein Portmonee zückt um auf der Bank einen Kontoauszug zu ziehen um herauszufinden wieviel Netto vom Brutto man diesen Monat hat.

Für viele, als deutsch angesehene Wörter, gibt es gar keine deutsche Entsprechung. Trotzdem versuche ich oben beschriebenen Satz einmal in Ur-Deutsch zu übersetzen.

...aber gleichzeitig seinen Gesprächs[...] bittet das Windloch zu öffnen um ein paar Stunden später seinen Geldbeutel zu zücken um einen [...]auszug zu ziehen um herauszufinden wieviel Sauber vom Dreckig man diesen [...] hat.

Ich vermute mal, das ich mindestens die Hälfte aller nicht-deutschen Begriffe in meinem Beispielsatz vergessen habe.

Liebe Anglizismen-Feinde: Euer einziges Argument ist, das der englische Einfluss noch nicht so alt ist, wie der französische, italienische oder lateinische Einfluss. Aber ihr selbst verwendet ständig Wörter, die aus dem Einfluss anderer Sprachen stammen. Das kann doch nicht euer ernst sein?

Keine Sprache ist "besser" als eine andere. Und das Alter oder das Fortbestehen eines fremdsprachigen Einflusses einer anderen, natürlich gleichwertigen, Sprache kann nicht wirklich ein Argument sein.

Bye
Aegre Reminiscens

edit:
Ergänzung: Sängerin Edda Moser lässt ihre Gesangsschüler für jedes "okay" 1€ Strafe bezahlen. Weil "okay" laut ihr einer der schrecklichsten Anglizismen ist, die es gibt.

Sie ist im Irrtum. Okay stammt von "en quai" (französisch) und heisst übersetzt "auf dem Kai [Uferbefestigung für Schiffe zum Anlegen]". Dies ist eine Kurzform von "Die Ladung des Schiffes ist entladen und auf dem Kai"

Was ist Google Wave?

Zuallererst: Ich, ja genau ich, habe einen Google-Wave-Account!

(Warum das was besonderes ist, steht weiter unten)

Seit ich einen solchen Account habe, steht seit einigen Tagen in allen meinen Away-Messages "Wer hat außer mir einen Google Wave Acc?"

Das provozierte einige meiner Bekannten und Freunde mich zu fragen "Was ist eigentlich Google Wave?"

Dieser Frage versuche ich jetzt nachzugehen. Meine kurze Antwort ist darauf: "Stell dir vor, Microsoft Groove, Skype, Outlook und ein Browser springen ins Bett und haben einen großen GangBang. Daraus entsteht ein Kind (ja, es hat mehr als zwei Eltern) ... das Kind wird von nem genialen GUI-Designer erzogen und wurde Google Wave genannt.
Verstanden? Nein?

Ok. nochmal in langsam.

Stellt dir vor, du sitzt mit ein paar Leuten in einem Konferenzraum und ihr bearbeitet oder entwerft ein Dokument. Face-to-Face klappt das recht gut. Aber stellen wir uns vor zwischen jedem von euch liegen 1000km, dann braucht ihr Programme die euch dabei helfen. Wenden wir das Fallbeispiel auf die beschriebene Software an:

Microsoft Groove:
Jeder kann Änderungen und Vorschläge machen. Jeder kann das Dokument bearbeiten und Änderungen oder Kommentare einfügen. Groove kümmert sich darum das jeder automatisch die aktuelle Datei hat. Aber sobald zwei Leute gleichzeitig am selben Dokument arbeiten wollen, hagelt es Fehlermeldungen, oder noch schlimmer: Es entstehen Duplikate, von denen nachher keiner mehr weiß welches aktueller ist und wer welche Änderung gemacht hat.

Skype:
Ihr könnt problemlos das Dokument hin und her schicken, prima Chatten, und euch sogar per Stimme unterhalten. Aber spätestens nach der dritten Änderung hat keiner mehr eine aktuelle Version des Dokuments vor sich und niemand weiss mehr was geändert wurde. Wenn nach 1h Arbeit jemand neues dazu kommt, dann hat der Schwierigkeit sich einzufinden, denn er hat keine Chance vorherige Schritte nachzuvollziehen, außer jemand erklärt sie ihm (zeitaufwendig)

Outlook
Alles geht per E-Mail. Ein richtiger Dialog findet nicht statt. Sobald eine Diskussion stattfindet, sehen die Betreffzeilen innerhalb weniger Minuten so aus: "Re: Re: AW: RE: Re: Re: Diskussion" und jemand der neu ins Team kommt, muss sich erstmal zwei Stunden durch alte E-Mails fuchsen, bevor er weiß was Sache ist. Vorteil: Jeder Schritt ist zumindest theoretisch nachvollziehbar, wenn auch aufwendig. Desweiteren ist auch hier das Problem das nach wenigen Änderungen jeder eine verschiedene Version vor sich hat und niemand mehr weiß was aktuell ist, und was bereits gestrichen oder geändert wurde.

Browser:
Natürlich könnte man einen Server anmieten, ein Forum installieren und jeden anweisen den Volltext des Docs bei jedem Post zu kopieren und jede seiner Änderungen farblich zu markieren. Steht aber in keinem Verhältnis zum Aufwand. Vorteil: Niemand braucht Software auf seinem Rechner zu installieren, man kann auch von einem Internet Cafe oder vom Computer eines Freundes eben mal nachschauen wie es um das Dokument steht.

Google Wave:
Vereint quasi alle Vorteile der verschiedenen Varianten.
Das Dokument wird im Browser bearbeitet, mittels der Replay-Funktion spielt Google Wave jedem später dazustoßenden Team-Mitglied jede Änderung nochmal vor. Jede Änderung wird automatisch markiert und einer Person zugewiesen und zwei Personen können gleichzeitig im selben Dokument arbeiten, ja, sogar in der selben Zeile. Gleichzeitig kann Google Wave problemlos Umfragen,Bilder, Videos, Musik usw einbinden und wird in Zukunft noch viel mehr einbinden können, denn die Programmier-Schnittstelle (API) ist freigegeben und jeder Programmierer der Welt kann Tools und Gadgets dafür entwickeln.

Man kann auf Posts antworten, oder auch nur ein Wort kommentieren, auf den Kommentar antworten und ganz woanders ein längeres Argument ausdiskutieren, ohne das die Übersichtlichkeit verloren geht. Und wenn das Dokument fertig ist, lässt es sich äußerst einfach (ein Klick) von allen Diskussionen, Anmerkungen und Co bereinigen und man hat das Ergebnis perfektem Teamwork vor sich.

Jeder sieht jederzeit was jeder andere macht. Denn jeder getippte Buchstabe wird einzeln übertragen, und nicht erst übertragen, wenn ich eine Message geschrieben habe und diese gesendet habe.

Und: Google Wave lässt sich komplett in Blogs und Homepages einfügen und verhält sich dort genau so, als wenn man auf der Google-Seite ist. Natürlich vollkommen interaktiv.

Und warum ist mein Account was besonderes?

Ich denke, jeder Leser hat sich bereits gewundert, wie eine so hohe Interaktivität und Interoperabilität überhaupt im Browser funktionieren kann. Das wundert mich auch jedesmal wenn ich Google Wave öffne. Aber Fakt ist: Es läuft!

Aus diesem Grund hat sich quasi jeder Nerd die Finger nach einem GoogleWave-Account geleckt, allerdings wurden nur 100.000 Test-Accounts weltweit verlost. Sehr viele sind also leer ausgegangen. Denn Google Wave ist bisher nicht veröffentlicht, es läuft noch als Test.

Leider schweigt sich Google darüber aus, wann es veröffentlicht wird. Die einzige Aussage, die man erfährt ist "in ein paar Monaten".

Und wer zufälligerweise auch einen GoogleWave-Account hat, der soll sich bitte bei mir melden, denn es ist verdammt langweilig, wenn man nur eine Person weltweit kennt, die auch einen Account hat :-)

Gruß Aegre Reminiscens
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